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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2011 103)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2011 103: Verwaltungsgericht

Eine Person, die in ein Alters- und Pflegeheim eingetreten ist, muss ihren Hauptwohnsitz dort begründen, wenn sie dort den Lebensmittelpunkt pflegt. Im vorliegenden Fall wurde die Meldesituation einer Beschwerdeführerin überprüft, die zuerst einen Hauptwohnsitz hatte, dieser aber später rückgängig gemacht wurde. Es wurde festgestellt, dass die Person eine hohe Pflegebedürftigkeit aufwies, was die Wohnsitznahme mit Hauptwohnsitz beeinflusste. Die Niederlassungsfreiheit in der Schweiz erlaubt es Schweizerinnen und Schweizern, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen. Das kantonale Register- und Meldegesetz regelt die Anmeldung von Haupt- und Nebenwohnsitzen. Das Gerichtsverfahren endete damit, dass die Angelegenheit zur erneuten Klärung an den Gemeinderat zurückverwiesen wurde.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2011 103

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2011 103
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsbehörden
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2011 103 vom 11.10.2011 (AG)
Datum:11.10.2011
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE - Lawsearch Cache - AGVE 2011 2 S. 472 2011 Verwaltungsbehörden 472 [...] 103 Meldewesen; Eintritt in ein Alters- und...
Schlagwörter: Perso; Person; Gemeinde; Pflegeheim; Nebenwohnsitz; Hauptwohn; Hauptwohnsitz; Wohnsitz; Niederlas; Einwohner; Eintritt; Aufenthalt; Niederlassung; Zweck; Schweiz; Gesundheit; Schweizer; Recht; Meldewesen; Einstu; Stücken; Einwohnerkontrolle; Einstufung; Personen; Gesundheitszustand; Meldesituation; Sachver; Verwaltungsbehörden; Register
Rechtsnorm: Art. 23 ZGB ;Art. 24 BV ;
Referenz BGE:108 Ia 249;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2011 103

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[...]

103 Meldewesen; Eintritt in ein Alters- und Pflegeheim Erfolgt der Eintritt in ein Alters- und Pflegeheim aus freien Stücken, um dort den Lebensmittelpunkt zu pflegen, wird damit ein Hauptwohnsitz im Sinne des Register- und Meldegesetzes begründet.
Aus dem Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres, Ge- meindeabteilung, vom 11. Oktober 2011 in Sachen B. gegen die Einwohner- gemeinde Z. (74093/25.4).
Sachverhalt
B. (Beschwerdeführerin) war mit Hauptwohnsitz in Y. gemel det. Seit ihrem Eintritt vom 1. September 2004 ins Alters- und Pfle geheim Z. wurde sie zudem von der Einwohnerkontrolle Z. mit Ne benwohnsitz geführt. Nachdem die Tochter von B. am 1. September 2010 bei der Einwohnerkontrolle Z. darum ersucht hatte, den Neben wohnsitz von B. in einen Hauptwohnsitz umzuwandeln, stellte die Einwohnerkontrolle zunächst eine Meldebestätigung für den Haupt wohnsitz aus. In der Folge machte der Gemeinderat Z. an seiner Sit zung vom 18. Januar 2011 die Anmeldung mit Hauptwohnsitz wieder rückgängig. Detailabklärungen hätten im Nachhinein ergeben, dass B. zum Zeitpunkt der Gesuchstellung eine BESA-Einstufung von 4 (das heisst grosse Pflegebedürftigkeit) aufgewiesen habe. Gemäss ständiger Praxis der schweizerischen Einwohnerkontrollen sei eine Wohnsitznahme mit Hauptwohnsitz aber bei einer Einstufung von 3 und höher nicht mehr möglich.
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Aus den Erwägungen
2. a) Nach Art. 24 BV haben Schweizerinnen und Schweizer das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen. Die Niederlas sungsfreiheit gewährleistet damit die Möglichkeit persönlichen Ver weilens an jedem beliebigen Ort der Schweiz (BGE 108 Ia 249). Da runter fallen sowohl das auf eine gewisse Dauer ausgerichtete Ver weilen an einem Ort, also insbesondere die Wohnsitznahme, wie auch der bloss vorübergehende Aufenthalt. Sie gebietet den Kanto nen und Gemeinden, jedem Schweizerbürger und jeder Schweizer bürgerin die Niederlassung auf ihrem Gebiet zu erlauben und unter sagt ihnen gleichzeitig, die Verlegung des einmal gewählten Wohn sitzes in einen anderen Kanton, eine andere Gemeinde ins Aus land zu verhindern zu erschweren. Die Niederlassungsfreiheit berechtigt jedoch nicht, einen beliebigen Ort der Niederlassung zu bezeichnen, ohne dass gewisse tatsächliche Voraussetzungen dafür gegeben sind. Das heisst, für die Bestimmung des Niederlassungsorts ist nicht die Willenserklärung der betreffenden Person massgebend, sondern der äussere Sachverhalt (vgl. AGVE 1997, S. 450). b) Das kantonale Recht verpflichtet in § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Einwohner- und Objektregister sowie das Meldewesen (Re gister- und Meldegesetz; RMG) vom 18. November 2008 Personen, die in der Gemeinde einen Haupt- Nebenwohnsitz begründen, sich bei der Einwohnerkontrolle anzumelden. Hauptwohnsitz hat eine Person in einer Gemeinde, in der sie beabsichtigt, dauernd zu verbleiben, um dort den Mittelpunkt ihres Lebens zu pflegen, der für Dritte erkennbar sein muss. Eine Person kann nur einen Hauptwohn sitz haben (§ 2 RMG). Nebenwohnsitz hat eine Person in einer Ge meinde, in der sie zu einem bestimmten Zweck während mindestens drei aufeinanderfolgenden Monaten drei Monaten innerhalb eines Jahrs anwesend ist. Eine Person kann mehrere Nebenwohnsitze haben (§ 3 RMG). Unter den Begriff des bestimmten Zwecks von § 3 RMG fallen etwa der Aufenthalt zum Besuch einer Lehranstalt Schule (Art. 3 lit. c des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der
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Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister [RHG] vom 23. Juni 2006) und die Unterbringung in einem Alters- und Pflegeheim, einer Erziehungs-, Versorgungs-, Heil-, Strafanstalt sowie vergleichbarer Kollektivhaushalte (vgl. §§ 3 und 4 der Verord nung zum Gesetz über die Einwohner- und Objektregister sowie das Meldewesen (RMV) vom 11. März 2009). Schweizerische Staatsan gehörige haben Niederlassung in der Hauptwohnsitzgemeinde und Aufenthalt in der Nebenwohnsitzgemeinde (§ 4 Abs. 2 RMG). c) Das kantonale Register- und Meldegesetz ist im Wesentlichen von zwei Zwecken geprägt. Zum Einen regelt es das Meldewesen (vgl. § 1 lit. b RMG). Dieses erfüllt primär eine polizeiliche Funk tion, nämlich die Erfassung des Bevölkerungsstands zur Sicherung der allgemeinen Ordnung im weitesten Sinne. Das Gemeinwesen hat ein vielfältiges Interesse daran zu wissen, wer sich innerhalb seines Gebiets aufhält. Aus dieser polizeilichen Funktion des Meldewesens folgt die Anknüpfung der Meldepflicht an das sogenannte polizei liche Domizil (vgl. Karl Spühler, Die Rechtsprechung zur polizei lichen Meldepflicht bei Niederlassung und Aufenthalt, in ZBl 1992, S. 337). Zum Anderen wird durch das Gesetz der Vollzug der Re gisterharmonisierung des Bundes sichergestellt. Die gesetzlichen Be stimmungen dienen damit der Bereitstellung der Grundlagen für sta tistische Aufgaben des Bundes und des Kantons (vgl. § 1 lit. d RMG). d) Für die Wohnsitze des öffentlichen Rechts ist zu beachten, dass das öffentliche Recht diese Wohnsitzbegriffe autonom auslegt (vgl. Daniel Stähelin, in Basler Kommentar zum Schweizerischen Zivilge setzbuch, 4. Auflage, Basel 2010, Art. 23 Rz. 3). Aufgrund der Be griffsbestimmung des polizeilichen Domizils ergibt sich, dass dieses insbesondere nicht mit dem zivilrechtlichen Wohnsitz gemäss §§ 23 ff. ZGB dem Steuerdomizil gleichgesetzt werden kann, obschon die verschiedenen Domizilarten in der Regel zusammenfallen. Die Anmeldung an einem bestimmten Ort (durch Hinterlegung der Schriften) wird deshalb bei der Bestimmung des zivilrechtlichen Wohnsitzes des Steuerdomizils höchstens als Indiz, nicht aber
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als Voraussetzung behandelt. Selbst im Bereich des Unterstützungs wohnsitzes legt die polizeiliche Anmeldung nur die widerlegbare Vermutung für das Vorliegen des Unterstützungswohnsitzes nahe. Ansonsten wird auch dort in erster Linie an die tatsächliche Anwe senheit angeknüpft (vgl. Art. 4 Abs. 2 und 11 ZUG). Sodann geht auch die Annahme der Beschwerdeführerin fehl, dass das RMG auf die Bestimmungen des ZGB (wie etwa in anderen Rechtsbereichen) verweisen würde. Allerdings bezieht sich der Wortlaut von Art. 2 RMG auf Art. 23 ZGB, so dass nichts dagegen spricht, die von der Lehre und Rechtsprechung zu den Art. 23 ff. ZGB entwickelten Grundsätze für die Auslegung des RMG heranzuziehen (so schon AGVE 1997, S. 451). Es ist dennoch möglich, dass sich der zivil rechtliche Wohnsitz einer Person nicht am Haupt-, sondern an deren Nebenwohnsitz befindet. Diejenigen staatlichen Organe (Admini strativbehörden und Gerichte), welche ihre örtlichen Kompetenzen und Amtspflichten vom zivilrechtlichen Wohnsitz natürlicher Perso nen herleiten, haben über deren zivilrechtlichen Wohnsitz selbst zu befinden. 3. Im vorliegenden Fall geht es um die Bestimmung des Haupt bzw. des Nebenwohnsitzes von B. Diese ist, nachdem sie mehrere Jahrzehnte in Y. niedergelassen war, per 1. September 2004 ins Al ters- und Pflegeheim Z. eingetreten. a) In den meisten Fällen bereitet die Zuordnung zu Haupt- und Nebenwohnsitz keine grösseren Probleme. Der Aufenthalt zum Zweck des Besuchs einer Lehranstalt Schule wie auch die meis ten anderen Aufenthalte zu einem bestimmten Zweck (bzw. Sonder zweck) zeichnen sich dadurch aus, dass eine Person entweder den Entschluss zum Aufenthalt nicht aus freien Stücken getroffen hat (z.B. weil sie sich einer erforderlich gewordenen Behandlung unter ziehen muss) dass die Absicht des dauernden Verbleibs fehlt (weil etwa die Aufenthaltsdauer durch den Sonderzweck bestimmt wird). Insoweit spricht der Gesetzgeber bei den Nebenwohnsitzen teilweise auch von einer Unterbringung (vgl. Art. 3 lit. c RHG; AGVE 1997, S. 451). Der Eintritt in ein Alters- und Pflegeheim ist
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insoweit als Spezialfall zu betrachten, als die Gründe für einen sol chen Wohnsitzwechsel sehr weit auseinanderfallen können. Personen können in ihrer angestammten Niederlassungsgemeinde verwurzelt bleiben und lediglich zum Zweck einer medizinischen Betreuung in ein Alters- und Pflegeheim eintreten. Häufig bleibt das gesamte Um feld in der bisherigen Gemeinde erhalten. In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, den bisherigen Hauptwohnsitz in der früheren Ge meinde zu belassen und die Person ins Register der Standortge meinde des Alters- und Pflegeheims mit Nebenwohnsitz einzutragen. Auf der anderen Seite gibt es auch Fälle, in denen Personen sich frühzeitig und insofern aus freien Stücken, bei geistiger und körper licher Gesundheit, für den Eintritt in ein Alters- und Pflegeheim ent scheiden, die Beziehungen zur Herkunftsgemeinde abbrechen und ihren Lebensmittelpunkt in die neue Wohngemeinde verlagern. In diesen Fällen spricht alles dafür, die Person in der neuen Gemeinde mit Hauptwohnsitz ins Register einzutragen (vgl. dazu insbesondere den in AGVE 1997, S. 449 ff. geschilderten Sachverhalt). Ob sich nun eine Person aus freien Stücken (d.h. ohne darauf angewiesen zu sein) für einen Eintritt in ein Alters- Pflegeheim entscheiden kann, hängt nicht unwesentlich vom Gesundheitszustand der betref fenden Person ab. Die Beurteilung des Gesundheitszustands ist dem zufolge kein sachfremdes Kriterium. Die BESA-Einstufungen (Be wohnerInnen-Einstufungs-und-Abrechnungssystem) sind ihrerseits wiederum ein Indiz, um den Gesundheitszustand der betreffenden Personen einzuschätzen. Ein starres Abstellen auf bestimmte Einstu fungen wäre allerdings nicht sachgerecht. Es ist jeweils eine Einzel fallbeurteilung notwendig. Kann aufgrund des Gesundheitszustands davon ausgegangen werden, dass eine Wahlfreiheit in Bezug auf den Eintritt ins Alters- Pflegeheim besteht, sind immer auch noch die übrigen Voraussetzungen für einen Hauptwohnsitz zu prüfen (al so die Absicht des dauernden Verbleibs sowie die objektiv erkenn bare Verlegung des Lebensmittelpunkts [vgl. AGVE 1997, S. 449 ff.]). b) Weiter ist zu beachten, dass es sich bei der Unterscheidung von Haupt- Nebenwohnsitz um eine registertechnische Zuordnung
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handelt, welche im Wesentlichen durch das Bundesrecht bestimmt wird und insofern in der Hauptsache einem statistischen Zweck dient. Die Niederlassungsfreiheit ist auch unabhängig von der kon kreten meldetechnischen Zuordnung gewährleistet. Die Beschwerde führerin bringt diesbezüglich auch nichts vor, was darauf schliessen würde, dass sie durch die bisherige Meldesituation rechtliche Nach teile gehabt hätte für die Zukunft zu gegenwärtigen hätte. So kann insbesondere auch das Stimmrecht in der Nebenwohnsitzge meinde ausgeübt werden (vgl. § 4 Abs. 2 GPR). c) Unter Würdigung des sich aus den Akten ergebenden Sachver halts ist anzunehmen, dass der Eintritt ins Alters- und Pflegeheim im September 2004 bei guter Gesundheit, insofern auch aus freien Stücken, erfolgte. Demnach wäre eine Anmeldung damals wohl denkbar gewesen. Weshalb dies unterlassen wurde, lässt sich zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr klären. Es sind jedenfalls keine derar tigen Bemühungen durch die Beschwerdeführerin belegt. Ohnehin ist die damalige Meldesituation über Jahre hinweg belassen worden (auch über die von der Beschwerdeführerin genannte 5-Jahres-Frist hinaus), so dass davon ausgegangen werden kann, sie sei mit der Meldesituation einverstanden gewesen. Es besteht demnach keine Veranlassung darauf zurückzukommen. Darüber hinaus ist auch der Zweck des Meldewesens (siehe oben Erwägung 2.c)) zu berücksich tigen. Der polizeiliche (wie auch der statistische) Zweck entfällt nämlich weitgehend in Bezug auf vergangene Verhältnisse. Bei Strei tigkeiten über An- und Abmeldungen ist deshalb regelmässig auf die aktuelle Meldesituation abzustellen. d) Wie oben angeführt, ist der Gesundheitszustand von B. mit ein relevantes Indiz für die Möglichkeit der Begründung eines Haupt wohnsitzes. Nachdem sich dieser seit dem Zeitpunkt der Gesuchs einreichung vom September 2010 verbessert hat und damit ein we sentliches Argument des Gemeinderats (BESA-Einstufung 3 und hö her, worauf er auch die angefochtene Verfügung abstützt) hinfällig geworden ist, ist es gerechtfertigt die Meldesituation von B. neu ab zuklären. Da es nicht Aufgabe der Beschwerdeinstanz sein kann, der-
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artige erstinstanzliche Erhebungen zum relevanten Sachverhalt bei der Beschwerdeführerin, der Altersheimleitung anderen geeig neten Auskunftsstellen selbst zu tätigen, ist das Verfahren an den Ge meinderat zurückzuweisen, damit dieser die dazu erforderlichen Ab klärungen in die Wege leiten kann.
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